DOH fordert von der Bundesregierung eine systematische Krisenpolitik im Antidopingkampf

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Dass diese Woche ein erstes Antidopinggesetz im Bundestag in die öffentliche Anhörung geht, das nicht nur dem Schutz der Gesundheit der Athleten dienen, sondern auch Fairness und Chancengleichheit wieder herstellen soll, ist der Beleg dafür, dass der moderne Business-Sport als milliardenschwerer Wirtschaftszweig an seiner Kernlüge gescheitert ist. Doping im deutschen Spitzensport ist so exzessiv wie chronisch und hat dessen Autonomieanspruch längst beendet. Insofern begrüßt die Doping-Opfer-Hilfe die überfälligen Anstrengungen des Staates, sich den Krisen des Sports endlich zu stellen.

Ein Antidopinggesetz kann aber nur Wirkung zeigen, wenn sich auch die Politik von ihren Verantwortungslosigkeiten in Sachen Sport verabschiedet und endlich eine systematische und zeitgemäße Krisenpolitik im Antidopingkampf startet. Denn lauthals Goldmedaillen fordern und zugleich wie im AntiDopG-Entwurf gemäß § 4, Absatz 3 „den versuchten Besitz von Dopingmitteln strafbar machen“, d. h. eine Vorverlagerung der Strafbarkeit zur Anwendung zu bringen, ist ein aufschlussreicher Widerspruch. Dieser Absatz setzt den Athleten mit einem Terroristen gleich und bedeutet einen alarmierenden Paradigmenwechsel, da er den Sportler nicht mehr aus der Warte der im aktuellen AntiDopG-Entwurf kaum noch vorhandenen Körperverletzung sieht, sondern zuerst aus der seiner Kriminalisierung. Damit aber wird der zivile Kern der Unternehmung Sport preisgegeben. Ab jetzt ginge es nicht mehr um einen Athleten, der mit Respekt und unter Achtung der Regeln seinen Sport treibt, sondern um eine Effizienzmaschine unter Terrorverdacht.

Der desolaten Verfassung des organisierten Sports ist mit scheinbar radikalisierten Gesetzesvorlagen aber nicht geholfen. Ein Antidopinggesetz in Deutschland kann nur Sinn machen, wenn es umfassend kontextualisiert und genauso umfassend konzeptuell abgesichert wird. Deshalb hat die Doping-Opfer-Hilfe wiederholt, zuletzt am Beispiel der Thüringer und Brandenburger Landessportbünde, auf die nach wie vor bestehenden Doping- und Stasibelastungen im organisierten Sport hingewiesen. Doch trotz Kritik bleibt dopingsozialisiertes Personal aus Ost und West im Amt. Auch andere gravierende Desiderate werden weder ernsthaft erörtert, noch angetastet: So arbeitet die Nationale Antidopingagentur nicht unabhängig; Ermittlungsbehörden können nicht wirksam ermitteln; vom Bundesinnenministerium geförderte Forschung zur Dopinggeschichte endet im Desaster; der Geltungsbereich des neuen AntDopG bleibt auf Deutschland beschränkt und bietet so jede Menge Schlupflöcher; die Debatte um das anstehende Gesetz verläuft erstaunlich ahistorisch und geht insbesondere an der ständig wachsenden Zahl der Dopingopfer vorbei.

So ist es bezeichnend, dass sich im Gesetzesentwurf an keiner Stelle Opferrechte finden. Der DOH fordert von daher die Aufnahme von Vorgaben zur Bewältigung der Vergangenheit ins AntiDopG, mit dem Ziel der Rehabilitation und Entschädigung der Dopingopfer. Darüber hinaus fordert er die Aufnahme von Absatz 4 in § 2: „Wer als Sportler durch unwissentliche, unerlaubte Anwendung von Dopingmethoden durch andere geschädigt wurde, dem steht umfassende Hilfe, Aufklärung und angemessene Entschädigung zu.“

 

Der Vorstand des Doping-Opfer-Hilfe e.V.
Berlin, den 15.06.2015

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