Ausgewählte Dopingsubstanzen und deren Wirkung - Teil 2
Die im Leistungssport eingesetzten Substanzen sollen hier in Auszügen etwas näher beschrieben werden. Die Informationen wurden u.a. aus den ausgewerteten Akten des Universitätsarchivs Leipzig, dem Bundesarchiv, dem Militärarchiv Freiburg, dem Staatsarchiv Rudolstadt, dem Landesarchiv Schwerin, dem Bundesarchiv Stasiunterlagenarchiv und dem Wirtschaftsarchiv Leipzig e.V. zusammengefasst.
Human - Choriongonadotropin (hCG=Somatropin)
Bei der Gabe von hCG wird die Testosteronproduktion angeregt. Deshalb war es in vielen Sportarten bereits Ende der 70er Jahre üblich geworden, den Sportlern, nach dem Absetzen des Basis-Dopingmittels, in bestimmten Abständen Testosteronester bzw. hCG - oft auch als Kombinationspräparat Testo-Tropin - zu injizieren bzw. bei Männern die körpereigene Synthese durch die Gabe des Anti-Östrogens und Ovulationsauslösers Clomifen zu erhöhen.
Die Vorzugsvariante bei der Gabe von hCG stellte die intramuskuläre Injektion von 3000 I.E. an drei aufeinanderfolgenden Tagen dar. „Praktische“ Probleme entstanden allerdings in den Sportarten mit Gewichtsklassen, wie Ringen und Gewichtheben, wo die Gewichtszunahme sich problematisch darstellte.
Testostropin
Als Kombinationspräparat führte das Mittel in Verbindung mit hCG zu einer stabilen Testosteronkonzentration. Empfohlen wurde in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung nach Absetzen von Oral-Turinabol die Gabe von 1 - 2 Ampullen im Abstand von 2 - 4 Tagen. Die letzte Gabe sollte am 5. Tag vor dem Wettkampf und als weitere Überbrückung nur das hCG mit 1500-3000 I.E. in einem zweitägigen Abstand erfolgen. So versuchte man dem unmittelbaren Nachweis des Dopingmittels zu entgehen.
Bei Beachtung der Dopingkontrollen stellten die Mediziner fest, dass Testostropin auch für die direkte „Wettkampfvorbereitung“ geeignet ist.
Allerdings wussten die Ärzte schon bereits 1976, dass es durch dieses Mittel zu Folgeerscheinungen wie die Abnutzung der Knorpel, Veränderungen in der Statur sowie, bei den Sportlerinnen, der Stimme und im Wesen kam.
Die Anwendung des männlichen Geschlechtshormons wurde vom SMD erstmals zur Leichtathletik EM 1974 in Rom genehmigt. Später wurde dies auch Gewichthebern, bei Ruderinnen und auch bei anderen Sportarten zu unbedeutenderen Wettkämpfen eingesetzt.
Clomiphenzitrat (Clomifen)
Die Zeitspanne bis zum sportlichen Höhepunkt, in der die anabolisierte Leistungsfähigkeit wegen der geschwächten körpereigenen Testosteronproduktion gefährdet war, überbrückte man dann nicht nur mit Zusatzinjektionen von hCG, sondern auch durch die Gaben von Clomifen. Zu beachten war, dass Clomifen nicht in jedem Fall zu einer Erhöhung der Androgenkonzentration führte. Das bedeutete, dass bei einer geplanten Anwendung eine vorherige „individuelle Erprobung“ am Sportler notwendig war.
Im Fall einer individuellen Wirkung konnte das Clomifen als sichere Überbrückungsvariante betrachtet werden, da es bei den Dopingkontrollen nicht entdeckt werden konnte.
Dieses Antiöstrogen wirkt über eine Beeinflussung hypothalamischer Zentren und der Nebennierenrinde auf die Anhebung der Plasmakonzentration des Testosterons. Bevorzugt wurde die Gabe von 100 - 150 mg an 10 - 15 aufeinanderfolgenden Tagen, wobei mit der Clomifengabe bereits in den letzten 4 -5 Tagen der Oral-Turinabol Gabe begonnen werden konnte.
Im Rahmen der Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele 1980 in Moskau sollen vor allem Ruderer Injektionen mit Testosteronpropionat als auch Clomifengaben (ungarisches Präparat Clostilbegyt) versorgt worden sein.
Hinweise zum Einsatz des Mittels finden sich auch im Rahmen von Forschungsuntersuchungen während des Trainings von Gewichthebern.
Aktuelles: Als Dopingmittel eingesetzt soll Clomifen die Testosteronausschüttung erhöhen oder bei einer Anabolika-Einnahme die Eigenproduktion von Testosteron aufrechterhalten bzw. anregen. In eigener Entscheidung hat der Triathlet Tomás Rodríguez Hernández beim Ironman im Frühjahr 2024 offensichtlich Clomifen genommen und wurde für zwei Jahre gesperrt.
Oxytocin (OXT oder B 17)
OXT gehörte als psychotrope Substanz (Peptidhormon) zu den unterstützenden Mitteln im Leistungssport. Die Verwendung erfolgte u. a. als sogenannte Doppeldope Oralturinabol und OXT, also Anabolikum plus Oxytocin. Die Herstellung erfolgte nach den Unterlagen ausschließlich für das FKS Leipzig.
Mit dieser Substanz sollten zentralnervale Funktionen positiv beeinflusst werden, u. a. Konzentration, reaktive Handlungen, koordinative Reaktionen.
Experimentiert wurde beispielsweise in der Sportart Judo 1979 mit einer Experimentalgruppe vom SC Leipzig:
in Vorbereitung von Wettkämpfen betrug die normale Dosierung
- 40 min. vorher, 2 Tabletten bukkal
- 10 min vorher, 1 Tablette bukkal
- 10 min vor jedem weiteren Kampf 1 Tablette bukkal.
Die Einnahme von bis zu 8 Tabletten täglich war möglich.
Ergebnis war u. a. die positive Bewältigung der Wettkämpfe, die hohe Anforderungen an die Ganzkörper- und feinmotorische Koordination stellen, allerdings reichte die Verabreichung der Substanz nicht aus um hohe Erregungen zu beherrschen.
Diese Erkenntnisse hat man u. a. bei Gewichthebern, Schützen und Turnern gewonnen. Der Sportler fühlte sich nach der Verabreichung von OXT körperlich kaputt, was man dann gleich als neue Forschungsaufgabe formulierte.
Insgesamt wurde der Einsatz der Substanz sowohl für stressanfällige als auch gering aktivierte Sportler als positiv betrachtet.
Die Wissenschaftler konnten sich sicher sein, dass für die Produktion der Dopingsubstanzen alle Akteure (u.a. Hersteller, Handel, Wirtschaft) an einem Strang ziehen. Die eigene Entwicklung von Dopingsubstanzen war in der Anfangszeit stark von importierten chemischen Grundsubstanzen abhängig.
Als beispielsweise die hCG-Bulkware nicht mehr aus Japan importiert werden konnte, schlug der Außenhandelsbetrieb der DDR den Import aus China vor, den Prof. Dr. Oettel 1986 (Direktor für Forschung und Entwicklung Arzneimittelwerk Dresden) in seinen Entscheidungsvorschlag zur Beschaffung aufnahm. Falls sich dieses Mittel in der Versuchsproduktion als nicht geeignet herausstellen sollte, hatte man noch einen möglichen Import aus Kuba im Blick.
Erklärung
bukkal in die Mundtasche (Wangentasche) legen
Bulkware größere Mengen von Arzneimitteln, die noch nicht endgültig verpackt und aufbereitet sind