Biopsien als Mittel der Leistungssteigerung?

 

Biopsien als Mittel der Leistungssteigerung?
(Universitätsarchiv Leipzig)


Bei Wikipedia findet man unter dem Begriff „Biopsie“ folgenden Eintrag:

Biopsie (griechisch βιοψία biopsía von griechisch βίος bíos „Leben“ und ὄψις ópsis „Sehen“) ist ein chirurgischer Eingriff zur Entnahme und Untersuchung einer kleinen Menge von Gewebe aus einem lebenden Organismus. Das entnommene Gewebe (das Biopsat oder Bioptat[1]) wird vom Pathologen unter dem Mikroskop untersucht. Darüber hinaus gehören auch chemische Analysen zu den Untersuchungsmethoden.

Die Erkenntnisse aus einer Biopsie lassen Aussagen zu krankhaften Änderungen des feingeweblichen Aufbaus (Histopathologie) des untersuchten Gewebes zu. Insbesondere die Fragestellung, ob es sich bei Tumoren um bösartige oder gutartige handelt, kann oft durch eine Biopsie geklärt werden.

Die Vorbereitungen zum Thema Biopsien im Leistungssport wurden bereits 1972 unter anderem von Prof. Pickenhain vom FKS Leipzig angelegt. Mit der Vorgabe von Leistungserwartungen erfolgten dann die entsprechenden Planungen in der Forschung.
Durch den Antrag von Prof. Dr. Israel, Dekan der Fakultät Sportmedizin und Biowissenschaften an den Ministerrat, Staatssekretariat für Körperkultur und Sport (SKS), Gen. Herde, 27.03.1973, wurde das Versuchsprojekt offiziell vom Staatssekretariat genehmigt. Der Antrag umfasste die Begründung der Notwendigkeit von Skelettmuskelbiopsien im Leistungssport.

Daraufhin wurden gleich vier Einrichtungen technisch und materiell für die Forschung qualifiziert, das waren:

  • das FKS Leipzig (Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport),
  • die DHfK Leipzig (Deutsche Hochschule für Körperkultur und Sport),
  • das ZI Kreischa (Zentralinstitut) und
  • der SV Dynamo.

Die Konstituierung der „AG Biopsie“ erfolgte am 05.01.1977

Mitglieder der AG waren zum damaligen Zeitpunkt:

      Ltr.: Prof. Gerber

     Sekretär: Dr. Scharschmidt

      Mitglieder: Dr. S. Pieper, D. Apelt, Dr. H. Buhl, Dr. H. Lathan

Alle Informationen zur Muskelbiopsie (MB) waren als VD (vertrauliche Dienstsache) deklariert.

Im Merkblatt für Antragsteller der MB hieß es, es sind (Zitat):

       „…… keine Routineuntersuchungen.“

Im Merkblatt für Sportler MB hieß es (Zitat):

       “… das Merkblatt ist mit Schweigeverpflichtung dem Arzt abzugeben.“

Kein Sportverband war gezwungen seine Athleten diesem Experiment „zur Verfügung“ zu stellen. Jeder Sportverband war aber daran interessiert, auf Kosten seiner Athleten, dabei zu sein.

Es wurden aber dennoch Anträge folgender Fachgruppen gestellt und Vereinbarungen getroffen:

FG Fußball der DHfK Leipzig
(Dr. Trapp, Dr. Schaarschmidt)
Die Ergebnisse stehen Dr. Koitsch und Dr. Anger für die B-Promotion zur Verfügung

Juli 1979
FG Ringen, Freier Ringkampf
(Dr. Hartmann, Dr. Kallenbach)
für Kaderkreis II und III
Jan. - April 1979
FG Radsport,
8 Sportler,
Nationalmannschaft Straßenradsport 1979
Feb. und Juni 1979
FG Bobsport,
Schnellkraft Bobsportler,
14 - 16 Sportler (Dr. Scheibe)
A-Kader, Ort in Oberhof oder Leipzig
Sept. 1977
Judo 2,
NM Herren,
14 oder 21 Sportler
(OA Dr. Bredow, Prof. Dr. Gerber)
10 Spitzenjudoka
11 - 18 Nachwuchsjudoka O-Kader

Sept. / Okt. 1977




1980

FG Wurf/Stoß,
14 Spitzenathleten Kaderkreis I
Mai 1977,
Aug. / Sept. 1978
FG Hoch - und Weitspringer,
14 Sportler    
April 1977
Trainingsexperiment zur Kraftproblematik
10 Personen aus Erfurt (verantw. Grohe)
5 Personen aus Leipzig (verantw. Kattner)
Okt./Nov 1977
FG Ringen,
10 Spitzenringer, 20 Nachwuchsringer O-Kader 1980
(Dr. Tünnemann, Dr. Bredow, Dr. Fiedler)
Dez. 1976, Mai /
Juni1977
Fechten,
DHfK, Nachwuchsleistungssportforschung
25 Sportler, FST I und FST III und O-Kader (DFV, Ltr. WZ Werner)
Beratung Mai 1977
FG Schwimmen,
15 - 18jährige männl. Schwimmer
Juni 1977

Der Terminplan für die medizinischen Experimente 1977 war verkürzt und war an den Wettkämpfen ausgerichtet und sah folgende Sportarten vor:

  • Kanu-Nationalmannschaft (NM)
  • Bob
  • Kombination (NM)
  • Gewichtheber
  • Schwimmen
  • Fußball
  • Nachwuchskanu und Leichtathletik
  • Leichtathletik - Sprung, Sprint

 

1. Serie
zur Intensitätsproblematik und ihrer Auswirkungen auf den Leber – und Muskelstoffwechsel

2. Serie Biopsie (Leber/Muskel)
Schwimmen
Nachwuchs Ski
Nachwuchs Gewichtheben

3. Serie (Leber/Muskel)
Schwimmen

 

Verantwortlichkeiten:

Schwimmen
Dr. Gerber
Sprint
Dr. Buhl
Sprung
Dr. Lathan/Feustel
Nachwuchs
Dr. Pieper
Leber/Muskel
Dr. Buhl


Biopsien bei Minderjährigen

Bei Minderjährigen war das schriftliche Einverständnis der Eltern einzuholen. Hier agierte man mit einem nicht zu überlesenden Druck auf die Eltern. Diese waren oft verunsichert und wussten nicht was passiert, wenn sie ablehnten.
Das war aber auch typisch in dem Geflecht aus Politik, Abhängigkeit und Sport treiben wollen. Diesem System sich zu entziehen, war mehr als schwierig.

Unterlagen dazu wurden eher zufällig, bei der Durchsicht im Bestand des FKS, aufgefunden.

Wie sah so ein Anschreiben an die Eltern aus?

 

Beispiel 1982
Zitat:

„Ihr Sohn … xy … nimmt in der 8. Klasse der KJS Karl-Marx-Stadt an einem mehrjährigen Trainingsexperiment teil, das das Ziel hat, auf der Basis individueller Leistungsvoraussetzungen eine gezielte Trainingsbelastung zu absolvieren. Es wird das Ziel verfolgt, durch dieses, den individuellen Voraussetzungen besser angepasstes Training, die Belastungsverträglichkeit zu erhöhen. Zur medizinischen Überwachung und Kontrolle von Anpassungsreaktionen des jugendlichen Organismus und zur besseren Steuerung der Trainingsbelastung macht es sich erforderlich, daß Venenblut und ein Stückchen Muskelgewebe mit einem Gewicht von wenigen Milligramm entnommen und in unseren wissenschaftlichen Laboratorien untersucht wird. Diese Entnahmen erfolgen durch einen erfahrenen Arzt, sind ungefährlich und ziehen keine Folgen nach sich. Eine intensive ärztliche Überwachung ist jederzeit gegeben. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind für einen großen Kreis von gleichaltrigen Sportlern von größter Bedeutung. Ich bitte Sie daher, Ihr Einverständnis zu diesen Untersuchungen mit Ihrer Unterschrift auszudrücken“
(Unterschrift Dr. K.S. Pieper, DHfK)

ähnl. Schreiben Schwimmen, FKS, Prof. Dr. Haecker
ähnl. Schreiben Kanu, DHfK, K.S.Pieper, I. Fleischer
ähnl. Schreiben TZ Rauenstein, Ski, Bezirkstrainer Weiß, DTSB Sonneberg

Für eine Trainingsgruppe wurden die Einverständniserklärungen, im Widerspruch zu den Richtlinien, nur vom Übungsleiter abgezeichnet, nicht von den Eltern.

 

Abkürzungen

DHfK
Deutsche Hochschule für Körperkultur und Sport
FG
Fachgruppe
FST
Förderstufe
FKS
Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport
NM
Nationalmannschaft
O-Kader
Olympiakader
TZ
Trainingszentrum
KJS
Kinder- und Jugendsportschule
ZI
Zentralinstitut