Das System Doping

 

Das System Doping (Auszug)

Die Vergabe der Pharmaka / Dopingmittel zur Leistungssteigerung erfolgte ohne medizinische Indikation an die Sportler und im Allgemeinen ohne deren Wissen, ohne Aufklärung über die Folgen der Einnahme, die in den meisten Fällen den Ärzten, Funktionären selbst nicht bekannt waren. Umso verantwortungsloser war das Vorgehen auf die gesundheitlichen Kosten der Sportler.

1963 wurde der Sportmedizinische Dienst (SMD) mit dem Ziel der sportmedizinischen Anleitung der Sportverbände des DTSB und Betreuung der Sporttreibenden in Kreisen/Bezirken installiert.

Ab 1970 unterstand der SMD dem Staatssekretariat für Körperkultur und Sport (SKS) und war somit auch beauftragt zur Leistungssteigerung im Hochleistungssport beizutragen.
Es gab 15 Sportärztliche Hauptberatungsstellen (SHB), 233 Sportärztliche Kreisberatungsstellen, deren Leiter die Kreissportärzte waren. Der Sportclub Dynamo Berlin hatte eine eigene Sportärztliche Hauptberatungsstelle.

Seit 1966 erfolgte eine zielgerichtete Vergabe von pharmakologischen Mitteln zur Leistungsentwicklung, zur schnelleren Regenration usw.

Folgende Pharmakagruppen waren die gebräuchlichsten, die in vielen Sportarten ihre Anwendung fanden (allgemein):

  • Anabolika,
  • Energiereiche Elektrolytlösungen und Vitaminzusätze,
  • Nebennierenrindenhormone,
  • Pharmaka zur Verbesserung der Sauerstoffausnutzung des Herzmuskels,
  • Pharmaka zur Ökonomisierung des Hirnstoffwechsels,
  • Vitamine und Mineralien
  • Entmüdungsgetränke
  • Psychopharmaka?
  • Dynvital, Athletovit

Der Einsatz der „Arbeitsgruppe Unterstützende Mittel“ wurde am 23. Oktober 1974 beschlossen (Quelle: Vorlage LSK vom 24.6.1974 (verkürzt zitiert)), dazu kam dann 1975 noch die „Forschungsgruppe Unterstützende Mittel“.
Spezielle Untersuchungen erfolgten in den Sportarten Schwimmen, Skilauf, Turnen, Gewichtheben und den Wurf-, Stoß- und Sprungdisziplinen in der Leichtathletik.


Wie erfolgte die Vergabe der Pharmaka?

Die Vergabe der anabolen Steroide in Tablettenform erfolgte von 1975 - 1989 in der Regel durch die Sektionsärzte bzw. die von ihnen beauftragten Trainer entsprechend der vorher festgelegten Konzeption über die Vergabe der Unterstützenden Mittel (UM-Konzeption). Spritzen und die Vergabe anderer Dopingmittel oblagen den eingeweihten Ärzten.


In die Vergaben von Dopingmitteln waren, einhergehend mit einer Belehrung zur Geheimhaltung, folgende Personen eingeweiht:

  • Verbandsärzte
  • Bezirkssportärzte
  • Abt. - Ltr. Clubbetreuung SHB
  • Sektionsärzte Förderstufe II, III
  • Arbeitsgruppe
  • Cheftrainer
  • Verbandstrainer
  • Trainer der einbezogenen Sportler
  • Einbezogene Mitglieder der LSK


Welche Pharmaka wurden konkret verabreicht? (auszugsweise und nicht vollständig):

  1. 1 mg Oral-Turinabol-Tablette (kleine rosa stumpfe Tablette)
  2. 5 mg Oral-Turinabol-Tablette (kleine blaue stumpfe Tablette)
  3. Turinabol-Ampullen (25 mg Wirkstoff Nandrolonphenylpropionat)
  4. Turinabol-Depot-Ampullen (50 mg Wirkstoff Nandrolondekanopat)
  5. (ab 1978 keine Vergabe, da ein Nachweis zu leicht möglich war)
  6. Testoteron-Depot (250 mg Wirkstoff Testoteronönanthat; ähnelte dem körpereigenen Testoteron, ab 1981 war auch das nachweisbar)
  7. STS 646 (Steroidsubstanz 646-Mestalon; ohne Zulassung vom ZGA)
  8. Gonabion-Ampullen auch als hCG bezeichnet (Stimulierung der Testosteronproduktion)
  9. Clomiphen in verschiedener Dosierung (Stimulierung von Testosteronproduktion)
  10. Neuropeptide z.B. B 17 (Oxytocin)
  11. Stoffe der Pervitin-Reihe (heute als „Speed“ bezeichnet, ab 1978 hauptsächlich im Schwimmsport)
  12. nasales Testosteron Verabreichung (Nasenspray, ab ca. 1982
  13. (FKS Leipzig und Arzneimittelwerk Dresden hatten eine Vereinbarung zur Selbstabfüllung des Mittels durch das FKS)
  14. Substanz XII ab ca. 1982, keine Zulassung vom ZGA und wurde trotzdem an Sportler vergeben<
  15. Substanz P, Peptid mit Transmitterfunktion im ZNS, 1981-1987

Der Einfluss von Peptid-Hormonen (Substanz P) sollte in folgenden Sportarten ausprobiert werden:
(Quelle Hauptstaatsarchiv Weimar)

Am FKS Leipzig, Labor Endokrinologie, wurde im Oktober 1978 begonnen die Konzeption für den Einsatz von Peptidhormonen (Dr. Schäker/Dr. Landgraf) vorzubereiten und in die Wettkampfpraxis 1979/1980 einzuführen, um weitere Leistungsreserven zu erschließen. Die Peptid-Hormone standen nicht auf der Dopingliste und waren nicht nachweisbar. Gleichzeitig stellten sie eine „notwendige Ergänzung“ zur Anabolikaanwendung dar, so die Begründung der Wissenschaftler. Mit dieser Substanz wurde direkt ins limbische System im Zentralnervensystem eingegriffen.
Aufgrund der zu erwartenden Wirkungen nahm man die Sportarten der Sportschützen in das Experiment auf. Die Peptid-Hormone sollen die Feinkoordination „zentralnervaler und propriozeptiver Steuermechanismen“ optimieren.

Beim Einsatz in der Leichtathletik Wurf/Stoß, Sprint versprach man sich Maximalkraft- und Schnellkraftfähigkeit und den Kraft-Zeit-Verlauf zu optimieren.

In den Kampfsportarten wie Ringen/Judo versprach man sich „koordinative und konzentrative Leistungsverbesserungen zur schnelleren Entscheidungsfindung und zur explosiven und präzisen Durchführung der Wettkampftechniken.“

Es sollte zuerst mit Versuchen bei den Sportschützen begonnen werden und Vasopressin Nasenspray, täglich 4 Puffs, ca. 4 Stunden vor Leistungsabforderung gegeben werden.


Beispiele:
zum Einsatz TUM (trainingsunterstützende Mittel) beim ASK Oberhof:
(Quelle: Hauptstaatsarchiv Weimar)

Im Rennschlittensport, A-Kader, 1974/1975
Die Vergabe erfolgte im Zeitraum vom 22.05.1974 bis 11.02.1975 in 9 Zyklen. In diesem Zeitraum fanden sechs Laborkontrollen statt.
Diese Verabreichung wurde vom Verbandsarzt des DSBV Dr. Prietzel abgezeichnet.

Im Rennschlittensport 1974/75
Die Vergabe war im Zeitraum vom 16.09. bis 06.021975 in fünf 5 Zyklen vorgesehen und vom Sektionsarzt des ASK Oberhof Dr. Schneider abgezeichnet.

Im Bobsport, 1974
Die Vergabe war im Zeitraum vom 27.05. bis 28.12.1974 in fünf 5 Zyklen vorgesehen und vom Sektionsarzt ASK Oberhof Dr. Schneider abgezeichnet.

Informiert und einbezogen in die Vergabe der Mittel beim ASK Oberhof waren folgende Personen:

  • Verbandstrainer
  • Cheftrainer ASK
  • Cheftrainer SC
  • Sektionsarzt ASK
  • Verbandsarzt DSBV, Dr. Prietzel

Abkürzungen

ASK       Armeesportclub
DSBV    Deutscher Schlitten- und Bobsport Verband
FKS       Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport (Leipzig)
LSK       Leistungssportkommission
SC         Sportclub
SHB      Sportärztliche Hauptberatungsstelle
SMD     Sportmedizinischer Dienst
UM       Unterstützende Mittel
TUM     Trainingsunterstützende Mittel
ZGA      Zentraler Gutachterausschuss
ZNS      Zentralnervensystem